Im Vitra Design Museum werden Bilder eines Architekturfotografen gezeigt, der eigentlich keiner sein will: Der Niederländer Iwan Baan rückt mit seiner Fotografie die Menschen in den Vordergrund ikonischer Bauten.
Schon lange vor der digitalen Bilderflut prägte die Fotografie unsere Sicht auf die Architektur stärker als bei anderen Künsten. Ortsgebunden wie sie nun einmal ist, war sie seit je darauf angewiesen, in Form eines Abbildes in die Welt hinaus getragen zu werden.
Nicht zufällig stehen hinter berühmten Bauten in der Regel ebenso berühmte Fotografien. So geschehen etwa bei den modernistischen Case Study Houses (Fallstudien-Häuser), die in Los Angeles nach dem Krieg gebaut wurden: Julius Shulmans wusste Stahlträger und Ausblicke durch die grossen Fensterflächen auf seinen Bildern so gekonnt in Szene zu setzen, dass sie die Sicht auf diese Architektur und ihre Zeit bis heute prägen.
Die Coolness der Moderne hallt noch nach
Kein Wunder also, dass Architekten und Architektinnen ein besonderes Augenmerk auf die fotografische Dokumentation ihrer Werke legen: Das Bild macht die Ikone.
Die Sorge darum, die eigene Architektur als Kunstwerk inszenieren zu müssen, hat zu einer Bildsprache geführt, in der die Coolness der Moderne bis heute nachhallt: Gebäudeporträts zeigen die Bauten wie Bilder an der weissen Museumswand. Isoliert und am liebsten menschenleer werden die scharfen Linien der Gebäudekanten ins rechte Licht gerückt.
Vielleicht will es die Ironie des Schicksals, dass der derzeit bekannteste Architekturfotograf zu einem grossen Teil genau das Gegenteil davon macht und überdies gar nicht als Architekturfotograf bezeichnet werden möchte. Dabei hat die Laufbahn des Niederländers Iwan Baan mit ebensolchen Architekturporträts begonnen.
Mehr zufällig wurde er von seinem Landsmann Rem Kolhaas vor gut zwanzig Jahren mit der Dokumentation seiner Bauten betraut. Die Reisen führten ihn nach China, wo die megalomanen Gebilde für die Olympiade in Peking mit Höchstgeschwindigkeit hochgezogen wurden.
Dort fand Baan mit Herzog & de Meuron einen weiteren prominenten Auftraggeber und vor allem jede Menge Sujets. Eine Besonderheit seiner Bilder ist, dass sie die Arbeitenden, welche die Bauten errichten, in den Vordergrund rücken – ohne dabei die Architektur zum blossen Hintergrund zu degradieren.
Die humanistische Wende Architekturfotografie
Diese, wenn man so will, «humanistische Wende» in der Architekturfotografie findet auch in Baans Arbeitsweise ihren Ausdruck. So verzichtet er weitgehend auf technische Hilfsmittel. Seine Bilder sind schnell und direkt aufgenommen. Das vorhandene Licht muss ausreichen und in der Nachbearbeitung werden keine ausgiebigen Retuschen gemacht.
Das Interesse für die Menschen, die in einem architektonisch geformten Raum agieren, verbindet die an unzähligen Plätzen dieser Welt entstandenen Fotografien Baans. In seinen Bildern eröffnen sich so die erstaunlichsten Verwandtschaften: Etwa zwischen der ewigen Stadt Rom und ihrem Counterpart Las Vegas.
«Es sind ja bloss Abzüge»
Das grösste Verdienst der aktuellen Ausstellung im Vitra Design Museum ist es, solche Bezüge zwischen Baans Werken sichtbar zu machen: Zum einen versammelt diese erste Retrospektive Bilder, die vorher nie gleichzeitig zu sehen waren. Zum anderen ermöglicht der Verzicht auf jeglichen technischen Aufwand ungeahnte Durchblicke.
So wurden sämtliche angelegten Öffnungen im Dach und zwischen den Räumen des Vitra Design Museums wieder frei gelegt. Baan hat kein Problem damit, dass die reale Architektur nun ungewohnt deutlich in Erscheinung tritt. Im Gegenteil, er hatte sich das sogar gewünscht, wird die Ausstellung doch quasi selbst zu einem seiner Bilder. Dass seine Fotografien unter dem starken natürlichen Licht leiden könnten, kümmert ihn indes nicht: «Es sind ja bloss Abzüge.»