Der menschgemachte Klimawandel hat auch unsere Breitengrade längst erreicht. Dieser Umstand sollte uns nicht nur dringend ermahnen, alles Menschenmögliche in Gang zu setzen, um dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten. Er zwingt uns auch dazu, uns jetzt schon an die neuen Bedingungen anzupassen. Und kurzfristige Lösungen liegen dem Homo sapiens ja bekanntlich näher, als Weichenstellungen mit Weitblick.
Es verwundert deshalb wenig, dass die Basler MCH Group zusammen mit dem Unternehmen Sandoase für den anstehenden Sommer mit einer beherzten Aktion etwas Gutes für die Stadt entwickelt hat. Um der von den Messebauten eingerahmten menschenleeren Asphaltwüste etwas entgegenzusetzen, öffnet sie den Rundhof der Messe für die Öffentlichkeit und lockt mit kulinarischen Köstlichkeiten. Mit «Bao Buns» und «fruchtigen Cocktails» lassen sich die neuen Hitzeperioden des Sommers einfach besser aushalten.
Basel oder Kairo? Hauptsache Sommer!
Dass der Umgebungsgestaltung bei einem solchen Vorhaben eine zentrale Rolle zukommt, scheint den Veranstaltern wohl bewusst. Angesichts der drückenden Temperaturen hat man sich in Regionen umgesehen, die mit diesen klimatischen Verhältnissen seit tausenden Jahren vertraut sind. Ein glücklicher Zufall will es, dass Basel mit Ägypten praktisch dieselbe Ausgangslage hat: Dort der Nil, hier der Rhein. Beim Sand können wir zwar nicht ganz mithalten, aber das Unternehmen Sandoase – nomen est omen – hat ja bereits im Dreiländereck bewiesen, dass es den hiesigen Mangel an natürlichen Ressourcen ohne Weiteres zu beheben weiss und hat deshalb haufenweise weissen Sand für den Innenhof versprochen.
Kulinarisches aus dem Container
Nun ist Ägypten vor allem bekannt für seine Pyramiden. Und da liegt es auf der Hand, diese architektonische Errungenschaft ans Rheinknie zu verfrachten. Immerhin hatte sich die Affinität der Baslerinnen und Basler zur altägyptischen Kunst ja bereits an der Tutanchamun-Ausstellung vor genau zwanzig Jahren eindeutig gezeigt. Auf den Visulisierungen sieht man im Zentrum des versandeten Rundhofs folgerichtig eine Pyramide in den Himmel ragen – selbstverständlich dem neuen Zweck leicht angepasst: Das neue Bauwerk dient ja nicht als Mausoleum des Architekten der Messehalle, sondern als Dreh- und Angelpunkt des kulinarischen Angebots und ist deshalb in der Sockelzone mit Ausschank und Tresen versehen. Zur Unterbringung des Restaurationsbetriebs hat man dort freilich auf etwas profan wirkende Container gesetzt – ob sie schon einmal den Suezkanal passiert haben und so zur thematischen Verdichtung beitragen könnten, ist ungeklärt.
Ebenfalls unklar ist leider auch der Name des neuen «urbanen Rückzugsorts». «Bambusnest» will so gar nicht zu Ägypten, Sand und Pyramide passen. Eine gewisse Vorliebe fürs Oxymoron beweist «Sandoase» mit der eigenen Bezeichnung – vielleicht ist das ein Hinweis darauf, warum statt den eigentlich zu erwartenden Papyruspflanzen auf den Visualisierungen nebst Palmen allenthalben Bambus zu sehen ist.
Noch ein Wort zum bereits angesprochenen Architekten der Basler Messehalle 2, der übrigens im zürcherischen Zollikon begraben liegt (ohne Pyramide). Dank Hans Hofmann besitzt Basel nicht nur eines der schönsten Kraftwerke, sondern hat ihm mit der Halle 2 (ehemals Halle 10 bis 21) ein ebenso ikonisches Messegebäude zu verdanken, über das man sich aller späteren Türme und Aluminiumfassaden zum Trotz noch heute ungetrübt freuen kann. Als unorthodoxer Modernist war er einer spannungsgeladenen Architektur alles andere als abgeneigt. So wird etwa der Rundhof zum zentralen architektonischen Erlebnis, obschon er ja streng genommen eine Lücke in der Architektur darstellt. Die dem Hof zugewandten Galerien mit ihren filigranen Stahlstützen und geschwungenen Treppen stellen den industriellen Charakter der Messehalle zur Schau, überführen den Zweckbau aber gleichzeitig in eine festliche Architektur. Hofmann selbst meinte, dass Architektur nicht in erster Linie den Intellekt ansprechen solle, sondern die Gefühle. Ziel sei eine Architektur, deren Atmosphäre man sich nicht entziehen könne – eine Architektur der Stimmung und der Erinnerung. Trotzdem oder besser gerade deshalb: Eine Pyramide zum 70. Geburtstag des Gebäudes wäre wirklich nicht nötig gewesen.