Dieter Waeckerlin

[…] Diese zunächst ungewöhnliche Mischung von modernen und vergleichsweise konservativen Anzeigen spiegelt sich auch in den Firmenkatalogen aus der ersten Hälfte der 1960er-Jahre wider. Ausnahmslos verweisen die modern gestalteten (im Gegensatz zu den unauffälligen) Anzeigen auf den Idealheim-Katalog, der von der ‹Broschüre› 1958 zu den immer umfangreicher werdenden ‹Monographien› der 1960er-Jahre anschwillt, die unter dem Titel ‹wohnen mit dw-massmöbeln› bis 1966 mindestens viermal erscheinen.

Mit erstaunlichem Aufwand werden hier neben den neuen Formen aufgeschlossenen auch zurückhaltendere Kundenkreise an die modernen Möbel herangeführt. Mit Bedacht sind die Mittel gewählt, die offensichtlich nicht primär auf ein ‹visuell geübtes› Publikum wie Architektinnen, Grafiker, Fotografinnen oder Designer abzielen, sondern den interessierten Bildungsbürger ansprechen sollen. Ungewohnt umfangreich für einen Möbelkatalog sind deshalb die dreisprachig gehaltenen Texte, die nicht als Bildbeschrieb verstanden werden wollen, sondern im Gegenteil an vielen Stellen als eigenständige, persönlich an das Lesepublikum gerichtete Texte auftreten, die nun ihrerseits mit Bildern illustriert werden.

Interessant sind dabei zunächst die theoretischen Einführungen, die etwa die ‹intelligente Gemütlichkeit› propagieren: «Künstlerisches Empfinden und rationales Denken»bilden die Grundlage dazu und bedingen ihrerseits bei den Möbeln klare Grundformen und einen Materialumgang, der den jeweiligen Eigenschaften gerecht wird. Die aufgesetzte Gemütlichkeit des immer noch grassierenden Heimatstils wird diesem Anspruch nicht gerecht. Für den ‹kubischen Stil› wird dagegen geltend gemacht, dass er sich aufgrund seiner schlichten Erscheinung besonders gut mit Pflanzen, Büchern und Kunstwerken verträgt, weil er für die bunte Kleinteiligkeit einen beruhigenden Hintergrund bildet. Denn: «Beim Konzert der Materialien» schadet «(e)in Zuviel an Tönen […] der Harmonie, genau wie bei einem Akkord.»

Die potentielle Käuferschaft wird hier also gleich auf zwei verschiedenen Ebenen abgeholt: einerseits inhaltlich, indem der Text auf die Insignien des gutbürgerlichen Haushalts Bezug nimmt und hervorhebt, dass die Idealheim-Möbel Raum für Bücher und Kunst schaffen. Belegt wird das zudem mit den zahlreich abgebildeten Interieurs, auf denen Bilder und Skulpturen (in der Regel von der Galerie Hilt zur Verfügung gestellt) prominent in Szene gesetzt werden. Andererseits werden auf sprachlicher Ebene vertraute Analogien aus der Musik in Anschlag gebracht. Es spricht hier also nicht der Schreiner zum Kunden, nicht der Arbeiter zum Akademiker, sondern es soll sich ein Gespräch auf gleicher Augenhöhe entwickeln und so gegenseitiges Vertrauen geschaffen werden. Auf dieser Basis kann der eine dem andern dann raten, seinen Feinsinn für bildende Kunst, Literatur und Musik mit dem Kauf der richtigen Einrichtung unter Beweis zu stellen.
Auch in den später erscheinenden Katalogen wird vor allem andern an die Intelligenz der Leserinnen und Leser appelliert, wenn von «Untypische(n) Typenmöbel(n) für Anspruchsvolle» die Rede ist. […]

 

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  1. 1Dieter Waeckerlin + Idealheim. Schweizer Wohnkultur 1950-1980