Banal

„Du, stand da letztes Jahr nicht auch schon dieses Holzhaus?“ hört man im Vorbeigehen einen Herrn im feinen Anzug seine Begleitung fragen. Nein, es ist ein anderes, aber auch dieses wird wohl Ende der Messe für einen Millionenbetrag einen Käufer gefunden haben. Er kann es dann, wie das Riesenposter am Stand von Patrick Seguin suggeriert, in einer kargen Felslandschaft am Rande eines Abhangs platzieren oder damit seinen sicherlich grosszügigen Vorgarten möblieren. Für seine Freunde gibt es dann Champagner, wo nach dem Zweiten Weltkrieg den Obdachlosen ein schnell errichtetes Dach über dem Kopf geboten wurde.
Tatsächlich ist die Welt des modernen Designs noch stärker als die Kunstwelt vom schönen Schein erfüllt. Ausgefallenes ist erwünscht, so lange es nicht erschreckt. Design ist die Zierde des Wohnbereichs, aber darf nicht Stein des Anstosses sein. Und ist es manchmal doch. Schon der amerikanische Kunstkritiker Clement Greenberg konnte nicht verstehen, dass das Museum of Modern Art in New York in den 1930er Jahren damit begann, Design zu sammeln – im Gegensatz zur spannungsreichen Kunst, schienen ihm die Stühle und Tassen des Alltags viel zu gefällig und zu banal.

Biotop gegen Widrigkeiten

Eine Tour durch die exklusivste Designmesse der Welt nährt dieses Unbehagen: Mit samtenen Sesseln und Sofas des alljährlich vertretenen Jean Royère, schönen Schattenspielen spendenden Sarfatti-Leuchten und etwas Gold und Kristall lässt sich innerhalb der eigenen vier Wände ein Luxusbiotop einrichten, das einen die Widrigkeiten der Aussenwelt vergessen lässt. Ein Bestreben, das angesichts der weltpolitischen Lage zwar falsch, aber durchaus nachvollziehbar ist.
Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Design Miami Basel ist geprägt von einfallslos inszeniertem Pomp und von alljährlich wiederkehrenden Möbellegenden, über die es nichts mehr Neues zu berichten gibt. Wer sich allerdings davon nicht abschrecken lässt, kann auch an der zwölften Ausgabe einige Entdeckungen machen – und damit Greenbergs Skepis Lügen strafen.
Eine echte Rarität steht am Stand der Pariser Galerie Eric Philippe: Es ist eine von zwei existierenden Stehleuchten aus dem Interieur des Sturges House von Frank Lloyd Wright. Entworfen wurde sie Ende der 1930er Jahre allerdings nicht vom Meister selber, sondern von John Lautner, der damals bei Wright arbeitete und dessen späteres Sheats-Goldstein-House sich als Kulisse bei James Bond und The Big Lebowski ins kollektive Filmgedächtnis gebrannt hat. Aus der Zeit gefallen scheint auch die origamiartig geformte Lampe: Eine unbequeme Diva, die sich neben Wrights eigenwilligen Sitzmöbeln behaupten konnte. Unglücklich und unnötig ist indes die Präsentation vor einer überdimensionierten Fotografie des Hauses, in dem sie einst stand. Hätte sie doch gut ohne die historische Referenz bestehen können.
Ein mindestens ebenso sperriges Design stammt von Ettore Sottsass, der an der diesjährigen Messe auffällig häufig vertreten ist. Nun ist man sich vom enfant terrible des italienischen Designs spätestens seit seinen Ikonen des Antidesigns und später der Postmoderne einiges gewöhnt. Phallusartige Provokationen und dysfunktionale Regale aus beschichtetem Span gehen auf sein Konto. Eine Überraschung ist das hochformatige Schrankmöbel bei der New Yorker Galerie Friedman Benda trotzdem: Zum einem wurde das Einzelstück der Öffentlichkeit das letzte Mal 1965 in Mailand gezeigt und war seither in Privatbesitz. Zum andern belegt es, wie früh sich Sottsass darum bemühte, die Fesseln der guten Formgebung zu sprengen. Mit einem Kistenstapel und einem verkehrt darauf montierten Regal forderte er die Entwurfshaltung seiner Zeit heraus.

Schweigen wäre Gold

Im Bereich des zeitgenössischen Designs hat sich die Galerie Maniera aus Brüssel als verlässliche Quelle für kontroverse Entwürfe etabliert. Dieses Jahr stammen gleich drei Werke aus Schweizer Hand. Christoph Hefti ist mit stückwerkartig zusammengesetzten Teppichen vertreten, während die Altmeister der Schweizer Postmoderne Robert und Trix Haussmann mit minimalistisch anmutenden Quadern den Grenzbereich zwischen Möbel und Skulptur ausloten. Mit ihren kleinformatigen Tischen und Hockern der Athens Series aus schraubenlos zusammengesetzten Holzklötzen unternehmen die Basler Architekten Christ & Gantenbein einen ähnlichen Versuch im Bereich Möbel und Architektur. Die von einem Schneidblock am Athener Fischmarkt inspirierte Form wirkt allerdings in der mit weissem Putz bestrichenen Ausführung reichlich bedeutungsüberladen. Dass die nach Auskunft der Architekten einfache und anonyme Form nicht nur einen Bezug zu den ursprünglich aus Holz gebauten Tempeln der Akropolis herstellen soll, sondern auch die Autorschaft in Frage stelle, nimmt man den Möbeln nicht ab. Schweigen wäre hier vielleicht Gold gewesen, denn Anonymität hört spätestens dort auf zu existieren, wo der Urheber zu sprechen beginnt.

Das Lächeln der Meisterin

Eine Oase der Ruhe bietet zu guter Letzt ein kleines Teehaus, dass ganz in japanischer Manier dicht an dicht zwischen den benachbarten Stände eingebaut wurde. Die moderne Interpretation des japanischen Architekten Sano Fumihiko beherbergt nicht nur die in Auseinandersetzung mit traditionellem Porzellan aus der japanischen Stadt Arita vom niederländischen Designduo Scholten & Baijings entworfene Tellerserie. Sie bietet auch zwei Mal am Tag die Gelegenheit, an einer japanischen Teezeremonie teilzunehmen. Statt Plüsch und Glimmer erwarten einen hier auf engstem Raum wohltuende Leere und ein verstohlenes Lächeln der Zeremonienmeisterin, wenn die Europäer nach drei Viertelstunden im Schneidersitz und zahlreichen Verbeugungen sich etwas wackelig auf den Beinen wieder unters Messevolk mischen.

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  1. 1Casati Gallery aus Chicago
  2. 2Teehaus für Arita von Sano Fumihiko