Wie baut man in der Hitze?

Zur Eröffnung giesst es wie aus Kübeln und für einen Moment sind alle froh, dass der zeltartige Ausstellungspavillon im Innern der Vitra Design Gallery aufgebaut wurde. Der hässliche Gegenpart zur einladenden Stoffarchitektur steht draussen, wo die einfallslosen schwarzen Partyzelte für den Apéro im Wiesensumpf versinken. Es ist nur einer von verschiedenen Kontrasten des Abends. So will das Wetter auch nicht recht zum Thema der Ausstellung passen, in der es um den Umgang mit extremer Hitze in Städten des mittleren Ostens geht. Aber vielleicht ist es einfach auch dem Himmel zum Heulen zumute, wenn wir uns nördlich der Alpen mit solchen Themen auseinandersetzen müssen.

Zumindest den Kuratoren Ahmed und Rashid Bin Shabib ist es in der Welt der Kontraste sichtlich wohl. Einen Namen haben sich die in Dubai lebenden und in Oxford im Bereich Urbanismus ausgebildeten Zwillingsbrüder mit ihrer Zeitschrift Brownbook gemacht. Schon dort setzten sie sich mit Themen jenseits stereotyper Vorstellungen zum Nahen und Mittleren Osten und dem Maghreb auseinander: Schnee in Saudiarabien zum Beispiel. Daneben kuratierten die beiden zahlreiche Ausstellungen und gewannen mit ihrem Pavillon für die Vereinigten Arabischen Emirate zu den Salzseen ihrer Heimat an der letzten Architekturbiennale in Venedig einen Goldenen Löwen.

Nach sechs Jahren kehren sie nun zum Vitra Design Museum zurück und präsentieren hier ihre zweite Ausstellung, in der sie die in den letzten Jahren zusammengetragenen Materialien dem Publikum zugänglich machen.

Im Zentrum steht besagte Zeltarchitektur, die in sich bereits eine ganze Reihe von Themen verbindet. Zunächst erinnert sie an ein Beduinenzelt, das in der sengenden Sonne Schatten spendet und damit die erste so einfache wie zentrale Lektion vermittelt: Richte dir einen schattigen Platz ein. In allen Ländern dieser Weltgegend bildet der schattige Innenhof das Zentrum des Alltags.
Gleichzeitig lassen einen die zwanzig arkadenartigen Öffnungen des Zeltes an einen Platz in einer Stadt denken. Auch hier spenden die Arkadengänge Schatten, aber sie sind gleichzeitig durchlässig. Eine zweite Lektion lehrt uns denn, die Luft zirkulieren zu lassen. So divers die Architektur von Marokko bis Irak und von Syrien bis Sansibar auch erscheinen mag, selbst Fenster sind zumindest in ihrer traditionellen Ausführung als luftdurchlässige Gitter ausgeführt.

Zuletzt verweist das Zelt aber auch auf die Ausstellung und die Tätigkeit ihrer Kuratoren selbst: Der Stoff ist wie ein Vorhang drapiert. Ein Vorhang, der gelüftet werden will, um den Blick auf die Entdeckungen der beiden freizugeben. So sind in den verschiedenen Durchgängen Texttafeln zu den verschiedenen Länder Nordafrikas, des Nahen und des Mittleren Ostens angebracht, die die wichtigsten Strategien zum Umgang mit Hitze versammeln. In den Stoff eingenähte Taschen beherbergen Archivschachteln mit weiterführenden Artikeln und Plänen. Wem diese zugegebenermassen nicht ganz einfach gemachte Archivarbeit buchstäblich zu trocken ist, findet im Zeltinnern einen langen Tisch mit verschiedenen Architekturmodellen. Die bunt bemalten Häuschen aus traditionellem Pappmaché haben etwas Kindliches und machen neugierig. Es sind Eyecatcher, die man durchaus ernst nehmen sollte, sind es doch allesamt Lehrstücke vernakulärer Architektur, die der Hitze  besser als dem Wasser trotzt. Dass Fröhlichkeit und Ernsthaftigkeit einander nicht ausschliessen müssen, zeigt im übrigen auch ein Vorschlag, den Ahmed und Rashid Bin Shabib quasi in die illustre Versammlung hineingeschmuggelt haben. Dem Gebäude der Vitra Design Museum Gallery von Frank Gehry haben sie anstatt der beiden realisierten Oberlichter aus Kunststoff zwei sogenannte Lufttürme verpasst. Solche kaminartigen Aufbauten sind in ihrer Heimat ein historisch bewährtes Mittel, um die Luftzirkulation in Schwung zu bringen und die heisse Luft in Innenräumen nach oben hin wegzuführen. Tatsächlich beweist Gehrys Bau, dass wir eine Menge von der Architektur lernen können, die er am Eröffnungsabend vor dem Regen bewahrt: Frischer Wind tut im tatsächlichen und übertragenen Sinn gut.